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Apr

25

2016

Das Gemälde


von David Arico

Oft sind wir so mit uns selbst beschäftigt, dass wir nicht mitbekommen was um uns herum vor sich geht



Es war einmal ein Mann, dessen größte Leidenschaft es war, wunderschöne Bilder zu betrachten. Tagein tagaus, ging er von einem Museum zum nächsten, um sich dort Gemälde und Bilder anzusehen. Er reiste von Land zu Land und wanderte von einer Ausstellung zur nächsten, immer in der Hoffnung, noch schönere Gemälde und Meisterwerke zu finden. Bis er eines Tages, in einem kleinen Ort ein Bild in der Auslage eines Altwarenhändlers sah, dass ihn den Atem anhalten ließ. Es war von so unglaublicher Schönheit, dass er wie gebannt vor der Auslage stehen blieb und es anstarrte. Stundenlang stand er dort und konnte seinen Blick einfach nicht abwenden von diesem wunderschönen Gemälde. Alles andere um ihn herum schien zu verschwinden und so verging viel Zeit, bis er sich los riß und beschloss, dieses Bild müsse er haben. Es entzückte ihn dermaßen, weil er noch nie ein so atemberaubendes Meisterwerk gesehen hatte, dass er sogleich in den Laden ging, um es zu kaufen. Der Mann hinter dem Tresen, ein alter Kauz mit dicken Brillen, betrachtete ihn mit nachdenklichem Blick. "Ich rate euch davon ab, dieses Bild zu kaufen", meinte er mit wissender Stimme, "Ich sehe nichts Gutes in euren Augen."

Der Mann aber schien ihn garnicht zu hören, so sehr war er von dem Bild geblendet. Er spürte, dass er ohne es nicht mehr leben könnte, er musste es einfach haben. "Lass das meine Sorge sein, alter Mann, ich erkenne wahre Schönheit und Vollkommenheit auf den ersten Blick. Ich beschäftige mich schon mein ganzes Leben lang mit nichts anderem.", antwortete er.

"Wie Ihr meint.", sagte der Alte ernst und reichte ihm das Gemälde über den Ladentisch. "Aber hört meine Worte: Die Vollkommenheit dieses Bildes wird euch blind machen für die wahre Vollkommenheit des Lebens."

Der Mann bezahlte und verlies den Laden, das Bild vor sich in den Händen haltend. Die Worte des Alten hörte er gar nicht mehr, so gefesselt war er von der Reinheit und Klarheit dieses Meisterwerks. So viele Jahre hatte er gesucht und gewartet und nun endlich hatte er ihn gefunden, einen vollkommenen Ausdruck der Schönheit.

Das Bild vor sich haltend ging er die Straße entlang, seinen Blick darauf fixiert und völlig in seine Gedanken versunken. Er betrachtete es mit geweiteten Augen und konnte die Aufregung förmlich durch seinen Körper ziehen spüren.

Als er an einem kleinen Park vorbei kam, saß dort eine hübsche Frau auf einer der Bänke und lächelte ihn freundlich an, aber er war so in sein Bild vertieft, dass er sie garnicht bemerkte. All seine Aufmerksamkeit wurde von der Schönheit dieses Bildes in Anspruch genommen. Einige Zeit später, er lief einfach immer gerade aus und hatte das Dorf schon lange hinter sich gelassen, überquerte er eine wunderschöne Blumenwiese, die in ihrer schillernden Pracht, alle Farben des Regenbogens zu wiederspiegeln schien. Aber er bemerkte diese Schönheit garnicht und stapfte über die schöne Blumenpracht hinweg, als wäre sie garnicht vorhanden. Als es Abend wurde und die Sonne wie ein leuchtender Feuerball den Horizont berührte, trug ein sanfter Wind das Lachen spielender Kinder zu ihm herüber, aber er war taub dafür und hörte es nicht. Selbst die friedvolle Abendstimmung bemerkte er nicht und auch nicht den klaren, vor sich hinplätschernden Bach an dem er hätte trinken können. Als der Morgen erwachte, ging der Mann immer noch, den starren Blick nur auf sein Bild gerichtet, immer gerade aus.

Und so verging die Zeit, bis er eines Tages am Ende der Welt angelangt war. Dort war es kahl und leer. Keine Menschenseele lebte in dieser Einöde. Die Bäume waren grau und vertrocknet und nur ganz vereinzelt durchdrang ein Lichtstrahl die dunklen, tiefhängenden Wolken. Das Gras hier war verwelkt und die letzten Tiere hatten diesen unwirtlichen Ort schon vor langer Zeit verlassen. Müde setzte sich der Mann auf den Boden und lehnte sich an einen der verdorrten Bäume, seinen Blick immer noch auf das Bild gerichtet. "Ach was bin ich doch für ein Glückspilz", sagte er zu sich selbst. "Wer kann schon von sich behaupten, die wahre Schönheit des Lebens jemals zu Gesicht bekommen zu haben, so wie ich."